Seit wenigen Wochen sind Christian Flüthmann als Sportdirektor und Marcus Steegmann als Kaderplaner für Rot-Weiss Essen tätig.
RevierSport und die WAZ haben die Gelegenheit genutzt, um mit der neuen sportlichen Führung ausführlich zu sprechen. Im ersten Teil geht es um den Ist-Zustand und die aktuellen Themen wie den Skandal von Zwickau, den Abstiegskampf und die Kritik an Trainer Christoph Dabrowski.
Christian Flüthmann, Marcus Steegmann, ein Spielabbruch ist immer ein Schock. Aber dieser Abbruch in Zwickau könnte für Rot-Weiss Essen ja ein sehr gutes Ende nehmen, drei Punkte am Grünen Tisch winken. Freuen Sie sich nicht ein bisschen?
Flüthmann:Das ist alles Spekulation. So kurz nach dem Vorfall ist es schwierig, darüber zu reden. Es gibt kein Urteil. Wenn es so kommt, dass wir die drei Punkte bekommen, ist es aber ein Riesenschritt im Abstiegskampf.
Steegmann: Aber durch wären wir auch mit diesen drei Punkten noch nicht.
Sie waren beide außen vor, bevor Sie vor knapp zwei Wochen die Nachfolge des freigestellten Jörn Nowak angetreten haben. Hätten Sie, von außen betrachtet, vor der Saison gedacht, dass RWE so lange um den Klassenerhalt kämpfen wird?
Flüthmann: Ich bin schon länger dabei und habe die Saison als Leiter des NLZ begleitet. Grundsätzlich sind wir jetzt komplett im Soll: Fünf Punkte Vorsprung sind für einen Aufsteiger völlig okay. Die Unruhe von außen, dass es eine Angst vor dem Abstieg gibt, ist nachvollziehbar. Aber unsere Punkteausbeute ist für einen Aufsteiger ordentlich.
Steegmann: Ich weiß aus eigener Erfahrung bei Viktoria Köln, dass zwischen der Regionalliga und der dritten Liga vom Niveau her eigentlich eineinhalb Ligen liegen. Der Schritt nach oben ist nicht einfach. Gefühlt ist der Klub mit großer Euphorie gestartet, musste aber schnell erkennen, wie hart die Realität ist. Aber RWE hat diese schwierige Phase sehr gut überstanden. Trotzdem war für mich abzusehen, dass die Saison nicht einfach wird. Die Ziele waren, in der Liga zu bleiben und möglichst ins Niederrheinpokalfinale zu kommen. Wir sind auf einem guten Weg, trotz allen Widrigkeiten.
Dabrowski arbeitet sehr akribisch und hat einen guten Draht zur Mannschaft. Wir müssen aber auch festhalten, dass wir gerade in der Offensive zu wenig Durchschlagskraft entwickeln. Hier wollen wir uns verbessern, es allein am Trainer festzumachen, wäre aber zu einfach.
Christian Flüthmann
Wo kam denn diese Anfangsnaivität her, aus der der Fehlstart resultierte? RWE hat viele gestandene Spieler im Kader: Thomas Eisfeld, Felix Bastians, Felix Herzenbruch.
Steegmann: Ich weiß nicht, ob der einzelne Spieler entscheidend ist. Man muss nicht immer von der Vita eines Spielers darauf deuten, wie er spielt. Nur weil man 250 Zweitliga-Partien gemacht hat, spielt man die dritte Liga nicht mit links. Man muss das Gesamtkonstrukt bei Rot-Weiss Essen betrachten. Im Positiven und im Negativen entsteht eine Erwartungshaltung und eine Stimmung.
Flüthmann: Die Mannschaft hat sich in der Regionalliga eingespielt, dann wurde ihr das Vertrauen geschenkt, so in der dritten Liga weiterzumachen. Aber dann war schnell erkennbar, dass die Spielweise umgestellt und personell nachgelegt werden muss.
Gegen Viktoria Köln (0:1) und Waldhof Mannheim (0:3) ist die Stimmung in diesem Kalenderjahr gekippt, Trainer Christoph Dabrowski hat bei einigen Fans keinen großen Kredit mehr. Wie stehen Sie als neue Sportliche Führung zu Dabrowski?
Flüthmann: Wir müssen uns erst einmal einen Überblick über die tägliche Arbeit verschaffen. Wir waren zu weit weg bei Themen wie Trainingssteuerung und Mannschaftsführung. Wir müssen das Ganze sehen. Die bisherigen Eindrücke sind auf jeden Fall positiv. Dabrowski arbeitet sehr akribisch und hat einen guten Draht zur Mannschaft. Wir müssen aber auch festhalten, dass wir gerade in der Offensive zu wenig Durchschlagskraft entwickeln. Hier wollen wir uns verbessern, es allein am Trainer festzumachen, wäre aber zu einfach.
Steegmann: Ich kann mich Christians Worten nur anschließen. Ich bin seit dem 1. April dabei und muss erst einmal alles kennenlernen: Mannschaft, Trainer, Geschäftsstelle, Aufsichtsrat. Ich bin in einen großen Verein hereingekommen, was die Aufgabe unglaublich spannend macht. Jetzt ist aber erst einmal wichtig, zu beobachten.
Aber es folgt von Ihnen nicht der Satz: Christoph Dabrowski hat Vertrag bis Sommer 2024 und bleibt Trainer.
Flüthmann: Der Satz beinhaltet eine Selbstverständlichkeit, deshalb muss ich ihn nicht sagen. Das ist ein Fakt.
Geht man mit einem bei Teilen der Fans angezählten Christoph Dabrowski in die neue Saison, könnte es nach den ersten Niederlagen direkt Kritik am Trainer geben. Ein Handicap?
Steegmann: Nein, das wissen wir nicht. Noch stehen ein paar Spiele in dieser Saison an. Die Mannschaft kann sich dementsprechend präsentieren und einen Stimmungsumschwung herbeiführen.